Melbourne

Nachdem wir in Australien angekommen waren, verbrachten wir die ersten zehn Tage in Melbourne. Dort mieteten

The Icon
The Icon

wir eine Wohnung. Wir waren im siebten Stock eines sehr farbigen Hauses namens „The Icon“, und von dort aus hatten wir eine wunderschöne Aussicht auf die Stadt. Da wir noch unter dem Jetlag litten, waren wir zu müde für ein straffes Tagesprogramm und so

Aussicht von "The Icon"
Aussicht von „The Icon“

verbrachten wir jeden Nachmittag auf der Wiese der St. Kilda Beach. Der Sand, das Wasser und die Wiese sind wunderschön, und ich liebte es, dort im weichen, grünen Gras zu sitzen und die Sonne auf meiner Haut zu spüren. Ich liebte es, all den Menschen zuzusehen, wie

sie ihrem Leben nachgingen. Familien, die mit ihren Kindern einen Ausflug machten. Frisch verliebte Paare, die Hand in Hand die Strasse entlang schlenderten, neben ihnen das friedliche Meer. Freunde, die sich auf der Wiese trafen und Musik hörten, Football spielten und laut und fröhlich miteinander sprachen. Einzelne Studenten, die es sich im Gras gemütlich gemacht hatten, ein offenes Buch auf ihrem Schoss. Kinder, die lachend an uns vorbei rannten, in der Hand ein tropfendes Waffeleis. Doch trotz all der Schönheit hat die Wiese auch ein paar wenige Schattenseiten: zum

St. Kilda Beach
St. Kilda Beach

Beispiel die herbstliche Sonne, die trotz der erwarteten Milderung ungebremst

auf uns herabglühte und meine schwarze Hose fast zum Brennen brachte, oder die beiden Männer in ihren Mittdreissigern, die Zigarette nach Zigarette rauchten und das Gift schön in unsere Richtung ausatmeten (Immer wieder eine Freude, mit fremden Menschen passiv mitzurauchen). Ab und zu versteckte sich die Sonne hinter einer Wolke, und kaum reichten ihre wärmenden Strahlen nicht mehr zu uns, fingen wir an zu frösteln. Zum Glück kam sie immer nach ein paar Minuten wieder hervor, denn einmal tat sie dies nicht. Es war das eine Mal, als wir uns aus unserer

Pier St. Kilda Beach
Pier St. Kilda Beach mit Skyline im Hintergrund

Wohnung ausgeschlossen hatten, die Sonne weg war und wir uns mit unserer Kleidung unglücklicherweise auf das Mindeste beschränkt hatten. Wir froren den ganzen Abend, und meine Zähne klapperten so laut, dass ich meine eigenen Gedanken nicht mehr hören konnte. Jetzt weiss ich, wie sich Captain America gefühlt haben muss.

 

Unsere Zeit in Melbourne verging leider viel zu schnell. Ich mag die Stadt wirklich sehr, und ich wäre gerne noch ein paar Tage länger geblieben. Trotzdem freute ich mich auch darauf, weiterzureisen und wieder etwas Neues zu sehen und zu entdecken. Ausserdem endete unserer Aufenthalt ausgesprochen aufregend: wir gingen ins MCG (Melbourne

Melbourne Cricket Ground
Melbourne Cricket Ground

Cricket Ground) und schauten uns unseren ersten Football-Match an! Während wir unsere Tickets holten, redeten wir aufgeregt über das, was uns wohl erwarten würde, und amüsierten uns gleichzeitig ein wenig über die extrem fein herausgeputzten Männer und Frauen, wie sie mit ihren Anzügen und Kleidern an uns vorbeiliefen oder Tickets kauften. Später fanden wir heraus, dass die Hübschen nicht zu einer Hochzeit eingeladen waren, sondern das Ziel hatten, möglichst weit vorne zu sitzen. Es war tatsächlich eine Regel, dass

je schöner gekleidet, desto besserer Sitzplatz. Wir, mit unseren einfachen, schon etwas verwaschenen T-Shirts, enorm eleganten Flip

Dress Regulations
Dress Regulations

Flops und kurzen Hosen sassen so weit oben, dass ich fast die Skyline am Horizont erkennen konnte. Aber eben nur fast. Ich sah vor allem Wolken und Vogelattrappen, um Möwen fernzuhalten. Wir setzten uns auf unsere Stühle und zupften ein wenig an unseren Merchandise-Artikel herum, sodass man das Hawks Wappen bei jedem sehen konnte (Hawthorn war, wie Google uns wissen liess, in der Rangierung höher als ihre Gegner Richmond, und so wählten wir sie. Ausserdem gefiel mir das Gelb im Trikot der Hawks besser; es war nicht so aggressiv und grell wie das der Richmonds). Nach einem ziemlich theatralischen Start, bei dem die letzten zehn Sekunden ohrenbetäubend laut heruntergezählt wurden, schmetterte der Schiri den Football auf das Toyota-Zeichen in der Mitte des Feldes (Hauptsponsor, offensichtlich), und das Spiel ging los. Um ganz ehrlich zu sein: ich hatte keine Ahnung von Football. Ich hatte nicht den geringsten Schimmer ob das, was die schwarz-gelb gestreiften Männer auf dem Feld taten, nun vorteilhaft für uns war oder

MCG
MCG

nicht. Ich entschied mich, nur dann zu jubeln, wenn der sehr enthusiastische Hawks Fan neben mir (Er trug einen Fan-Hut UND einen Fan-Schal!) aufsprang und laute Schreie zum Feld hinunter schickte. Das ging ziemlich gut, und obwohl ich anfangs dachte, ich sei verloren, fand ich erstaunlich schnell heraus, welche Regeln galten und was nun als guter Pass angesehen werden konnte. Nach etwa zehn Minuten war ich so selbstbewusst, dass ich den Hawks Fan nicht mehr als Guide brauchte und selber entschied, wann ein Pass ein Ruf verdient hatte. Ab und zu jubelte ich

Football Stadion
Hawthorns vs. Richmond

sogar, wenn mein Nachbar still blieb oder nur mit dem Kopf anerkennend nickte. Das kümmerte mich eigentlich nicht gross, bis zu diesem einen Mal als die Hawks ein Tor schossen (mit einem phänomenalen Pass), und ich freudig von meinem Sitz aufsprang und laut jubelte. Zu meiner Verwunderung blieb es ungewöhnlich still um mich herum, bis auf die beiden überaus lauten Richmond-Frauen hinter mir. Ein Seitenblick zu meiner nicht jubelnden Familie bestätigte mir, dass ich falsch lag und gerade für Richmond aus dem Sitz gesprungen war. Aber wer kann schon wissen, dass sie nach jeder Viertel-Pause das Tor wechseln! (Von da an entschied ich mich, dass es nicht schaden konnte, wenn ich doch ab und zu einen Blick auf meinen Nachbarn warf)

 

MCG Eingang
MCG Eingang

Etwa zwei Stunden und unzählige „KICK THAT BLOODY THING! COME ON JACK, KICK THAT BLOODY THING, KICK IT!“‘s von den oben genannten Richmond-Frauen, war das Spiel beendet. Zu unser aller (vor allem der des enthusiastischen Hawks Fans; er war geradezu erschüttert!) Enttäuschung verlor Hawthorn mit 89 zu 102. Trotz der

Niederlage verliess ich das Stadion mit einem Lächeln. Es war unglaublich gewesen, ein echtes Football-Spiel live miterlebt zu haben! Und ich wusste, dass ich mich für das richtige Team entschieden hatte, denn sie gewannen bei ihrem nächsten Match mit 115 zu 48 (Und, ich meine, das ist mehr als das Doppelte). Ruben und ich verfolgten dieses Spiel von unserem Haus in Wentworth aus, und bei jedem Goal konnte ich mir wieder den Hawthorn Enthusiast vorstellen, wie er vom Sitz aufsprang, die Faust in die Luft streckte und laut jubelte. Ich tat dasselbe.

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